Vertrauen oder nicht – der feine Unterschied

Was lässt in der aktuellen Lage die Ansichten der Menschen so stark auseinanderlaufen, dass sich deswegen manchmal gar unsere Beziehungen entzweien?

Der grösste Unterschied zwischen Massnahmen-Befürwortern und -Kritikern ist das Vertrauen. Befürworter leben im Vertrauen: auf die Politiker, die durch die Krise führen, auf die Wissenschaftler, die ihnen zur Seite stehen, auf die grossen Medienkonzerne, die die Botschaften weitergeben und dem Ganzen ihre Meinung beisteuern.

Kritiker haben dieses Vertrauen nicht. Sie beobachten und hinterfragen vieles, was nicht mit ihren bisherigen Erfahrungen übereinstimmt. Und da es gerade zum aktuellen Thema so viele offene Fragen und scheinbare Widersprüche gibt, haben die meisten Kritiker Mühe, für sich ein definitives Urteil zum Thema zu fällen. Sie bleiben kritisch unterwegs. Anders die Befürworter, sie sind meistens überzeugt. Sie haben es denn auch leichter, da sie vertrauen. Sie müssen die Dinge nicht selber ergründen – haben es vielleicht am Anfang der Geschichte getan, einmal aber die Entscheidung zum Vertrauen getroffen, aus welchen Gründen auch immer.

Unabhängiges Denken ist schwer, denn unser Denken wird von vielen Faktoren beeinflusst. Schon nur, dass jeder aufgrund seiner eigenen Prägung andere Denkmuster hat. Was aber unabhängiges Denken am stärksten verunmöglicht, ist wohl die Angst: Wer von Angst regiert wird, kann unmöglich klar und sachlich denken, geschweige denn, vernünftige Entscheidungen treffen. Aber auch unsere Eigeninteressen werden der sachlichen Wahrheitsfindung im Weg stehen, wenn wir sie nicht bewusst hinten anstellen. Oder unsere Bequemlichkeit: Sie kann uns vom Denken abhalten, wenn das Denken uns keine Lösung bringt, sondern vielmehr Fragen aufwirft. Und eben auch: Wo Vertrauen ist, wird der Denk-Horizont natürlicherweise eingeschränkt, und manchmal wird das Denken ganz den anderen überlassen.

Vertrauen ist etwas vom schönsten, das wir geschenkt bekommen haben. Wir sollten es unbedingt behalten und behüten. Es ist vor allem für die Menschen gedacht, die wir persönlich kennen und von denen wir tagtäglich umgeben sind. Vertrauen soll helfen, gute Beziehungen zu bilden und aufrecht zu halten. Es ist vor allem eine Herzenssache. Vertrauen in ferne Institutionen, die kein persönliches Interesse an uns haben, meist gewinnorientiert sind und deren Führung jederzeit ausgewechselt werden kann – Vertrauen in solche Institutionen ist naiv. Es wird aus Mangel an Alternativen gebildet und ist eher eine Notlösung oder der bequeme Weg; es entspricht nicht echtem Vertrauen. Und doch ist dieser Weg mehr als verständlich. Was soll ich mich mit der Wahrheitsfindung abmühen, wenn ich selber nie dorthin gelangen kann? Zudem ist es für das menschliche Herz gesünder, sich mit vertrauensvollen Gedanken zu beschäftigen statt mit Gedanken des Zweifels. Hier hat der kritische Geist eine schwere Bürde zu tragen, denn sein Drang nach Wahrheit ist grösser als sein Bedürfnis nach Harmonie.

Befürworter und Kritiker, Vertrauende mangels Alternativen und Suchende ohne Zuhause, es braucht eben beide Seiten für ein gesundes Ganzes! Wir alle haben unsere guten Gründe für die Wege, die wir gehen. Was wir noch brauchen, ist mehr Verständnis für die Anders-Tickenden. Und wo dieses Verständnis nicht auffindbar ist, nehmen wir halt die Toleranz zu Hilfe. So können wir etwas wirklich Grundlegendes und Grosses beitragen für eine bessere Welt.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert